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Stefan Eschmann im Interview mit der Volksstimme über das KMG Klinikum Havelberg

| Kliniken

Im Januar hatten die KMG Kliniken die Schließung des Havelberger Krankenhauses angekündigt. Seitdem kämpfen die Mitarbeiter für eine Zukunft des Krankenhausstandortes.
Wie die Situation aktuell von Seiten des KMG Vorstandes eingeschätzt wird, wollte Andrea Schröder vom Vorstandsvorsitzenden Stefan Eschmann wissen.

Volksstimme: KMG wäre gern beim Gespräch mit dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linken Dietmar Bartsch in Havelberg dabei gewesen. Warum? Es sollte dabei um die Zukunft des
Krankenhausstandortes gehen, die die KMG Kliniken ja bekanntlich mit der Maßgabe, ein Seniorenheim eröffnen zu wollen, ausgeschlossen hat.

Stefan Eschmann: Unsere Bitte, uns nach vier Monaten zu Gesprächen über den Standort einzuladen, war naiv. Naiv deshalb, weil wir gehofft hatten, jenseits politischer Partikularinteressen diskutieren zu können. Anfang Januar haben wir die Schließung des KMG Klinikums Havelberg bekannt gegeben. Seitdem hat niemand - weder ein Politiker oder eine Politikerin des Landes noch aus der Kommunalpolitik – auch nur eine einzige Kennzahl über das Krankenhaus von uns erbeten. Wir wurden nicht ein einziges Mal gefragt, was für ein medizinisches Spektrum das Krankenhaus in der Vergangenheit behandelt hat, was es für eine apparatetechnische Ausstattung gibt, wie die Mitarbeiterstrukturen sind, welche krankenhausspezifischen Strukturmerkmale erfüllt werden. Zu Beginn sind wir davon ausgegangen, dass die ausbleibenden Fragen in der mangelnden Expertise der politisch  verantwortlichen begründet sind. Mittlerweile scheint klar, dass niemanden die Antworten interessieren. 

Wäre nicht eine öffentliche Diskussion gemeinsam mit KMG über die Hintergründe der beabsichtigten Umwandlung des Krankenhauses in ein Seniorenheim sinnvoll gewesen?

Wir haben gegenüber dem Landkreis Stendal und der Hansestadt Havelberg mehrmals angeboten, dass ich mich als KMG Vorstandsvorsitzender gerne einer öffentlichen Diskussionsrunde stelle und zu den Hintergründen der Schließung Stellung nehme. Erstmals haben wir dies im Januar 2020 ins Gespräch gebracht. Hierauf wurde nicht ein einziges Mal konkret eingegangen. 

Hat sich die Sicht von KMG auf die beabsichtigte Umwandlung des Standortes in ein Seniorenheim in den vergangenen Monaten verändert? 

Es wird sich in keinem Sozial- oder Gesundheitsministerium ein Fachverantwortlicher finden lassen, der der Auffassung ist, dass das Krankenhaus in Havelberg bedarfsgerecht ist. Deshalb wurde auch bereits 2013 mit dem Land Sachsen-Anhalt vertraglich die Umwandlung in ein Gesundheitszentrum vereinbart. Trotzdem ist das Thema nun über Monate zum politischen Spielball geworden. Man kann durchaus eine kritische Haltung zur Privatisierung von Krankenhäusern haben. Sei es, weil man meint, konkret schlechte Erfahrungen hiermit gemacht zu haben oder weil man dies aus weltanschaulicher Sicht grundsätzlich ablehnt. Und dennoch würde es der Glaubwürdigkeit dienen, in diesem konkreten Fall ein wenig differenzierter hinzuschauen. Welches somatische Krankenhaus mit 37 Planbetten und 1500 stationären Patientinnen und Patienten im Jahr – egal ob in öffentlicher, freigemeinnütziger oder privater Trägerschaft – wird denn in Zukunft
bestehen? KMG hat das Krankenhaus Havelberg 2002 übernommen, als es praktisch insolvent war. Dies ist nun 18 Jahre her. Wir sind nicht der Meinung, dass von einer gescheiterten Privatisierung gesprochen werden kann. Ohne die seinerzeitige Privatisierung würde es das Krankenhaus bereits seit vielen Jahren nicht mehr geben.

Trotzdem laufen im Moment vom Landkreis aus aber noch Verhandlungen mit zwei möglichen neuen Trägern...

Es wird mit Ach und Krach versucht, einen neuen Träger für das Krankenhaus zu finden. Alleine mit uns hat noch kein einziger potenzieller Träger gesprochen. Das überrascht indes nicht. Das Krankenhaus Havelberg behandelt bereits seit vielen Jahren nur noch leichteste Fälle und beschäftigte auch in den letzten Jahren gerade einmal noch sechs Ärztinnen und Ärzte. Dabei macht es ein
Defizit von durchschnittlich 1,5 Millionen Euro per annum. Momentan sind – auch in Corona-Zeiten – zwischen null und fünf Patientinnen und Patienten stationär in diesem Krankenhaus aufgenommen. Es ist Zeit, die Energie darauf zu verwenden, ein nachhaltiges Konzept für eine angemessene ambulante oder teilstationäre Versorgung für Havelberg zu erarbeiten. Dies wäre zielführend, um eine bedarfsgerechte und nachhaltige medizinische Versorgung für Havelberg sicherzustellen.

In Ihren im Januar vorgestellten Plänen zum „Gesundheitszentrum Havelberg“ hieß es, dass die ambulante Versorgung weiterhin gesichert werden soll. Wie sieht es aktuell mit dem MVZ aus,
das ja kurzzeitig wegen Corona-Fällen schließen musste?

KMG betreibt am Standort Havelberg eine chirurgische und eine orthopädische Praxis. Zu unserem Bedauern hat der Orthopäde zum 30. Juni 2020 sein Arbeitsverhältnis gekündigt. Wir sind aktuell bemüht, einen Nachfolger beziehungsweise eine Nachfolgerin zu suchen und haben die Stelle ausgeschrieben.

Bei den Überlegungen für den Krankenhausstandort Havelberg spielen Begriffe eines intersektoralen Gesundheitszentrums und einer Portalklinik eine Rolle, also eine ambulante Versorgung mit
Bettenkapazität. Wäre das möglicherweise doch noch eine Option für KMG, dieses zusätzlich zum Seniorenheim anzubieten?

Aktuell gibt es in Deutschland keinen gesetzlichen Rahmen für eine solche Versorgungsform. Wie eine intersektorale Versorgung organisiert und finanziert werden soll, wird aktuell an vielen Stellen diskutiert, ist de facto aber ungeklärt. Das bedeutet aber nicht, dass die Etablierung einer teilstationären Einrichtung in Havelberg unmöglich wäre, dies würde aber Zeit benötigen. Wir als KMG haben immer die Auffassung vertreten, dass wir eine solche Versorgungsform für Havelberg als sinnvoll erachten – unabhängig von der Trägerschaft. Aus diesem Grund haben wir bereits vor Monaten gesagt, dass es Zeit ist, sich mit der Zukunft, das heißt mit der Frage, wie eine bedarfsgerechte Versorgung für Havelberg aussieht, zu beschäftigen. Und nicht, koste es was es wolle zu versuchen, ein „Mini-Krankenhaus“ ohne richtigen Versorgungsauftrag zu erhalten und damit das Problem nur um ein paar Jahre in die Zukunft zu verschieben.

Es dürfte für KMG im Moment nicht einfach sein, zu handeln. Welche Auswirkungen hat die Suche nach einem neuen Träger auf die Einrichtung des Seniorenheimes, das Sie mit 58 Betten im jetzigen Krankenhaus planen? 

Wir haben seit März sämtliche Umbaumaßnahmen zur Errichtung des Seniorenheims für den Fall gestoppt, dass sich ein neuer Träger finden sollte. Dabei haben wir bereits eine sechsstellige Eurosumme verbaut. Tatsache ist aber auch, dass uns noch kein potenzieller Träger vorgestellt wurde und es noch keinen Kontakt gab. Wir sind jederzeit zu Gesprächen bereit. Mittlerweile ist die Situation so verfahren, dass aktuell nur noch maximal vier Pflegekräfte des KMG Klinikums Havelberg bereit sind, in unserem zukünftigen Seniorenheim zu arbeiten. Sollte sich dies in den kommenden Wochen nicht ändern, wird es uns nicht möglich sein, in Havelberg ein Seniorenheim zu eröffnen. Dann hätten alle verloren. Das kann doch niemand wollen!

Inwieweit spielt die Corona-Pandemie eine Rolle für das Krankenhaus in Havelberg? Haben Sie inzwischen Antwort vom Sozialministerium erhalten? Bei vielen Menschen besteht momentan
Unverständnis darüber, dass ein Krankenhaus mitten in einer solchen Krise geschlossen werden soll?

Wir haben immer gesagt, dass wir das Krankenhaus in Havelberg selbstverständlich nicht schließen werden, sofern und solange es zur Bewältigung der Corona-Krise benötigt wird. Das  Krankenhaus ist aktuell mit insgesamt null bis fünf Patienten am Tag belegt, die Relevanz zur Bewältigung der Corona-Krise scheint aktuell überschaubar zu sein. 

Welche Auswirkungen hat Corona auf die anderen Häuser innerhalb von KMG?

Wie alle anderen Krankenhäuser in Deutschland haben auch die Krankenhäuser der KMG Kliniken Gruppe in den vergangenen Wochen alle vermeidbaren Operationen verschoben und sich auf die Bewältigung der Corona-Krise fokussiert. Nun beginnen wir sukzessive wieder damit, die elektiven Operationen hochzufahren. 

Der Sozialplan für die 53 gekündigten Mitarbeiter ist noch nicht beschlossen?

Die Verhandlungen zum Sozialplan laufen noch, daher können wir hierzu keine Angaben machen.

 

Quelle: Dieses Interview wurde geführt von Andrea Schröder, Redakteurin der Volksstimme (Ausgabe 07.05.2020).

Franz Christian Meier

Franz Christian Meier

Leitung